Toxic Family


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Grille - Der Wandel der Zeit...
Interviews | 30.04.2008 - 15:52:17
... über das Jetzt und Damals.
Seite 1: Grille - Der Wandel der Zeit...

Er ist der Papa Schlumpf der Toxic Family. Macher und treibender Geist seit nun bald 10 Jahren. Er ist Plattendreher und seine Anfänge liegen zurück in den Anfängen der 90ger. Dort startete er auch,  in Clubs wie dem Omen, XS (The Box), Music Hall oder Dorian Gray seine ganz eigene Partygängerhistory. Er kennt die Anfänge der Szene und ihren Wandel seit nun mehr als 15 Jahren. Anfang April wurde Grille kurzfristig die Ehre zuteil die Clubnight auf YouFM mit einem Oldskool Set bestreiten zu dürfen. Das Feedback auf diesen Sound war immens. Als Resident der Omenforum Technoclassics darf man ihn aber auch ruhigen Gewissens als Experten für Klassiker der Techno- und Housegeschichte bezeichnen. Nun schon zum 7. Male findet die Omenforum Technoclassics statt, und das Thema Revival, Classixs, Oldskool, oder wie man es auch nennen mag, ist scheinbar präsenter denn je. Mir sind deshalb schon seit Längerem viele Gedanken und Fragen durch den Kopf gegangen, die ich Grille gerne in einen Interview stellen wollte. Dabei sollte vor allem direkter Bezug zu dem Grille Anfang der 90ger und dem 2008 genommen werden und hoffe es ist für Jung und Alt interessant zu lesen. Dass dieses Thema nämlich nicht einfach mit so Phrasen wie "früher war alles besser" zu beantworten ist, dass alles  könnt ihr nun nachlesen.

Ohyate:  Grille, ich möchte dieses Interview nutzen, um einige Fragen zu Deinem persönlichem Bezug zu Toxic Family, dem Omen Memorial Forum und der Vergangenheit zu stellen. Darf ich eigentlich offen erzählen, dass Du 34 bist? *lach*

Grille: Klar, darfst Du. Steht ja so aufm Papier, aber nur da. *lach*

Ohyate: Aber nun gut.  Das Alter spiegelt ja auch Erfahrungen in der Musikszene wider. Fangen wir mit einer meiner Meinung nach sehr schwierigen Frage an. Es heißt bei sehr vielen Dj´s und Produzenten: "Forward Ever, Backward Never". Ich halte dass für einerseits richtig, andererseits falsch. Die Vergangenheit spielt immer - egal ob man sie sogar verleugnet - einen wichtigen Aspekt in unserem Leben, das gilt auch für die Musik. Wie siehst Du das?

Grille: Die Vergangenheit spielt denke ich in allen Dingen eine wichtige Rolle. Denn viele Aspekte aus ihr haben uns reifen lassen und neues beigebracht. Ich glaube am ehesten kann man dies am Gefühls- und Liebesleben nachvollziehen. Die Erkenntnis aus misslungenen Beziehungen oder auch nur kurzen zwischenmenschlichen Erfahrungen, egal ob positiv oder negativ, bringt einem vieles für sich selber. Das daraus Gewonnene wird dann auf irgendeine Weise immer wieder angewandt oder erneuert.

Ich denke dies ist in der Musik nicht anders. Musiker, die sich angeblich nur dem Fortschritt verschrieben haben und die Vergangenheit leugnen sind doch nur Lügner. Denn auch sie erfinden das Rad nicht neu, sondern interpretieren zumeist die Vergangenheit aufs  Neue und in einem anderen Licht. Die Einflüsse, die wir vor allem in der Jugend, wenn das Interesse zur Musik geweckt wird, in uns aufnehmen sind verdammt wichtig wie ich finde. Ich ertappe mich immer wieder dabei, wie diese Dinge in mir zum Vorschein kommen. So liebe ich Elemente der 80ger und meinen Hang zu Depeche Mode lasse ich regelmäßig in meinen Sets zum Vorschein kommen. Ich glaube auch, dass jedem Produzenten Ähnliches widerfährt. Ohne das man es will werden die Einflüsse der Vergangenheit auf die ein oder andere Weise Ihren Einfluss auf die Dinge im Jetzt nehmen.

Als ich Anfang des Jahres den Remix zu "Weltenwechsel" fertig gestellt hatte und es ein paar Leuten zum hören gab, kam unter anderem vom Tom Wax der Kommentar "klingt ein wenig wie Thorsten Fenslau".  Es war mit Sicherheit nicht meine Absicht, dass es wie Thorsten Fenslau klingen sollte, aber es freute mich, denn einen gewissen Oldskool-Charakter konnte ich nicht abstreiten. Auch hier zeigte sich, dass mich meine Vergangenheit wohl mehr beeinflusst hatte, als ich es zuvor angenommen hatte. Auch wenn es nicht bei jedem so ausgeprägt ist, so denke ich, dass jeder von uns auf irgendeine Art und Weise von seiner musikalischen Vergangenheit immer wieder beeinflusst wird und dies somit auch eine wichtige Rolle spielt. Generationsevolution kann nur stattfinden, wenn man aus dem Erfahrenen eigene Interpretationen kreiert und seine eigene Note einbringt. So wird auf der einen Seite die Vergangenheit gewahrt, gehuldigt und auf der anderen Seite wird der zeitgemäße Sound mit diesen Schätzen angereichert. Ich finde es also nicht verwerflich sich an Vergangenem zu orientieren und sich beeinflussen zulassen. Ganz im Gegenteil, solange nicht einfach nur stumpfsinnig kopiert anstatt kreiert wird ist die Vergangenheit der größte Ideenpool den man nur haben kann. Selbst wenn es nur ein Ton, ein Klang, ein spezieller Sound ist, der uns beeinflusst, so bringt uns aber eben genau diese Eingebung zu neuen Ufern.

Ohyate: Ich habe neulich das Statement abgegeben, dass mich die Musik der heutigen Zeit nicht mehr so zieht wie früher. Das bezieht sich aber mehr auf die rein elektronische Musik. Gruppen wie Unheilig, Chill Out Sampler oder aber Jack Johnson genieße ich sehr und kaufe mir sämtliche Alben. Ich vermisse oft die Kreativität der elektronischen Musik. Wenn ich an so Sachen wie Vernons Wonderland denke, mit der Kombination von Vergangenheit mit Gegenwart, so bot sich in meinen Augen damals in den Clubs ein unheimliches Spektrum an musikalischer Qualität. Woran meinst Du liegt das, dass es mir heute nicht mehr so vorkommt? Liegt es an mir, oder haben viele Produzenten einfach keine Lust mehr? Wird einfach nur schnell was produziert, um es auf den Markt zu werfen? Wobei ich mir hier kaum vorstellen kann, dass da Künstler überhaupt lebensfähig sind von den heutigen Einkommen, außer sie werden von Bohlen produziert *lach*.

Grille: Also ich denke hier treffen 2 Aspekte aufeinander. Der erste ist, dass Du dich aus der Clubszene relativ entfernt hast und Musik vor allem nun als ein Genussmittel zum Hören nutzt. Du entdeckst Musik nun unter teils anderen Blickwickeln, als Du es noch getan hast zu Zeiten als Du darauf Tanzen gegangen bist. Es spielt mit Sicherheit auch eine Rolle, dass damals diese Musik noch neu  war und gerade dabei war sich als Kleinkind auszutoben. Das war auf alle Fälle unheimlich kreativ was da teils alles veröffentlicht wurde.

Der andere Aspekt ist, dass vieles nur noch nach Trends produziert wird und dies mehr noch als früher. Oft spielt natürlich eine große Rolle, dass man auf dem aktuellen Markt als Label damit bestehen muss. Man muss nun mal nüchtern bedenken, dass elektronische Musik ein Geschäft wie jedes andere auch geworden ist. Die fetten Jahre sind im Grunde vorbei, wo man alles Möglichen einfach mal auf Platte gepresst hat. Produzenten die heute davon leben können sind sowieso entweder lange genug dabei oder machen unter zig anderen Namen noch diverses anderes Zeugs. Das ist auch alles legitim und dennoch gebe ich Dir recht, es fehlt teils an Kreativität. Eines der großen Probleme sehe ich dabei immer, dass oft versucht wird aus Musik eine Wissenschaft zumachen und sie zu sehr in Schubladen gepresst wird. Wenn ich manchen Grooveartikel lese bekomme ich das große Kopfschütteln, weil ich mich damit nicht mehr identifizieren kann. Es gibt da eine Garde an Künstlern, Dj´s und Magazinen, die erheben die elektronische Musik auf eine philosophisch-wissenschaftliche Ebene, was genauso furztrocken ist  wie diese dort angeprisene Musik zumeist auch. Sorry, aber was soll das??? Ich will entweder schöne Musik zum Hören, oder auf richtig geiler Mucke im Club Abrocken, da interessiert mich kein Pseudointellektuellengeqatsche.

Für viele scheint es aber sehr attraktiv zu sein genau in diese Kreise aufgenommen zu werden und so wird sich eben an solchen Dingen orientiert. Heraus kommt dann öfters schon mal ein Einheitsbrei, der in meinen Augen nicht sonderlich anziehend wirkt. Das spiegeln dann Clubs wie auch Radiosender zum Teil wider, die sich ebenso daran orientieren. Es wird nicht mehr so viel experimentiert wie früher. Nur reine Hobbymusiker oder die ganz großen Namen können es sich erlauben zu Experimentieren, diese machen es oft aber nicht. Wenn man mal schaut welche Namen in den letzten Jahren so angesagt waren, dann sind da viele Namen dabei, die es eigentlich schon sehr lange gibt. Diese Künstler sind teils schon lange Ihrer Zeit voraus gewesen, doch wurden sie nicht wahrgenommen, weil sich alle immer nur auf einen bestimmten Sound  konzentrierten. Und jetzt, jetzt sind diese Künstler on Top und viele versuchen einen ähnlichen Stil zu erreichen und das ergibt wieder dieses "alles klingt gleich" Prinzip. Eine Art Teufelskreis.

Es benötigt mehr Individualisten, kreative Freigeister und eine offenere marktunabhängige Herangehensweise bei dem Thema Musik und das meine ich ganz allgemein, denn diese Probleme sind genauso auch in anderen Sparten vorhanden. Egal ob Charts oder HipHop. Es ist wie mit Hollywood. Was dort in den letzten Jahren teils an Schrott produziert wurde ist unglaublich. Alleine die Flut an wirklich "nicht witzigen" Komödien ist unerträglich geworden und von den X-ten Foltermoviefortsetzungen fang ich gar nicht erst an. Es wird sich an anderen Sachen orientiert und zum Teil einfach wild kopiert. Doch auf einmal steht da ein J.J. Abrams in der Tür und macht alles anders und das auch noch erfolgreich. Er kümmert sich einen Scheiss um Standards und verwirklicht seine eigenen Vorstellungen. Endlich frischer Wind, aber es ist nur eine Frage der Zeit wann auch dieser frische Stil von all den andere so oft kopiert wird, bis es nichts Besonderes mehr ist. Jeder will halt was vom Kuchen abhaben und dies ist in vielen Dingen so.

Ohyate: Wenn Du sagt jeder will was vom Kuchen abhaben, äußert sich das auch noch auf andere Art und Weise?

Grille: Ja schon. Es gibt Leute, die sind als Veranstalter oder DJ tätig und betreiben dies wirklich meist aus Leidenschaft. Diesen Leuten geht es zum großen Teil nur um den Spaßfaktor und ihre Musik mit einem guten Publikum zu erleben. Meist wird dabei sogar noch drauf gelegt und das Engagement ist wirklich hoch. Doch es ist schwierig sich auf diese Weise zu behaupten und viele sind gekommen und gegangen in den Jahren, weil eben diese Leidenschaft sich nicht unbedingt immer bezahlt macht. Diese Leute sind so etwas wie die letzte Basis von den Grundzügen der Szene aus den 90gern. Es wird da einfach mit viel Herzblut an den Dingen gearbeitet, um eigene Dinge zu bewegen. Wer lange genug durchhält und sich engagiert schafft es dann vielleicht auch mehr aus der Sache werden zu lassen und so sich mehr verwirklichen zu können. Wenn überhaupt steht eher dies im Vordergrund, als etwaige Hintergedanken so viel Geld zu verdienen oder bekannter zu werden.

Doch es gibt auch das Gegenteil davon. Das sind dann meist Exemplare, denen es eigentlich nur um eine Sache geht. Schnell hoch zukommen, um bei den Großen mitmischen zu können. Doch man merkt schnell, wer so gestrickt ist und wer nicht. Denn es ist mittlerweile Gang und Gäbe geworden eigentlich nichts ohne Gegenleistung zu tun. Buchst Du mich, buch ich Dich. Dabei wird teilweise mit Mitteln gearbeitet, dass ganz schnell Leute wohin gebucht werden, die nicht im Geringsten die Qualität aufweisen, die sie haben sollten. In dieser Hinsicht ist Einiges sehr sehr negativ geworden und Veranstalter wie auch DJs ticken zu einem großen Teil so. Aber es gibt zum Glück noch genug Ausnahmen, die sich auf dieses fucking Spiel nicht einlassen und lieber mit Gleichgesinnten was auf die Beine stellen ohne immer gleich die großen Forderungen zu stellen. Ich habe zum Glück einige im Lauf der Jahre kennen gelernt und weiß es zu schätzen mit diesen Leuten immer noch zusammenzuarbeiten. Dabei sind sogar auch einige bekannte Leute dabei die total locker und aufm Teppich geblieben sind.

Ein anderer Punkt ist, dass von diesen Leuten, die nur bekannt werden wollen, jeder jeden übertreffen will. Es ist keine Seltenheit das mit geschönten bis gefakten Pressetexten versucht wird sich in ein gutes Licht zu stellen. Da gibt es wirklich die dollsten Texte. So nach dem Motto "ich hab schon mit Sven gespielt" und in Wirklichkeit hat man ihm nur mal die Tür vom Klo aufgehalten. Ganz toll sind natürlich DJs, die sich selbst vermarkten und dabei mit Ihren eigenen Veranstaltungen die Spotlights in allen erdenklichen Farben auf sich versuchen zu lenken. Da wird sich schon mal selber zum absoluten Star gemacht. In Wirklichkeit ist aber weder Talent noch Charisma vorhanden. Oder es wird mit einem Record Label geworben was nun auf 5 Jahres Tour geht und von dem es bisher nur ein Release in dieser Zeit gab. Was bitte soll das denn für ein Label sein??? Aber Hauptsache es wird schon seit Jahren in den schillernsten Farben dargestellt und immer wieder versucht den Eindruck zu erwecken, dass da maßgeblich szenebeinflussende Dinge passiert sind... mit einem Release *lach*. Ziemlich lächerlich das Ganze, aber leider Realität. Von gefakten Foreneinträgen und nervigen Votingaufrufen per Mail für den Raveline Jahrespoll  will ich gar nicht erst anfangen. Das schlimme .. es funktioniert … es ist also wirklich möglich sich mit wenig Talent und einer großen Klappe ins Licht der Öffentlichkeit zu drängen. Es wird wirklich mit vielen Mitteln versucht nach oben zu kommen.

Ohyate: Du nennst da bei den negativen Beispielen aber keine Namen, wie mir auffällt. Hat das einen Grund?

Grille: Ja. Es muss hier keiner gedisst werden, wir sind hier nicht bei den Ganstarappern, die sich gegenseitig erzählen wie scheisse all die Anderen sind und was für kleine Schwänze sie mit sich rumtragen. Da sind wir denke ich etwas zivilisierter. Letztendlich sind die Leute die es Betrifft in der Szene eh bekannt und verschrien. Denn diese Leute hinterlassen meist überall ihre Spuren und so was spricht sich verdammt schnell rum.

Ohyate: Kommen wir noch mal zur Musik zurück. Wenn ich mir an einigen Abenden daheim "Techno-Classics" anhöre, werde ich melancholisch, freudig, jedoch sehr oft traurig, denn die Zeit von 1990 - 1994 war für uns alle denke ich eine wirklich einfache und schöne Zeit. Wir hatten alle noch sehr wenig Verantwortung im Leben und schwammen auf der "Partygesellschafts"-Welle unbekümmert mit. Hierzu wurde Musik produziert, wie sie an Kreativität kaum zu überbieten war. Wie steckst Du persönlich all diese Veränderungen im privaten, im Clubleben und bei der Musik weg?

Grille: Huiii… da muss ich mir erst einmal selbst klar drüber werden. Erst einmal gebe ich Dir Recht. Die Anfänge unseres Partylebens waren sehr unbeschwert und vor allem sehr abenteuerreich. Aber ich glaube, dass ist heute nicht viel anderes bei der jetzigen Jugend. Die werden ein ähnliches Gefühl verspüren. Wenn man in jungen Jahren die Nacht und ihren Zauber für sich entdeckt, dann kann man sich diesem erst einmal nicht so leicht entziehen. Ich glaube in vielen anderen Musikszenen ist es ähnlich, nur bei den Partys bei denen der Alkohol super günstig und die Musik mehr als gemischt ist, verschiebt sich der Focus ein wenig. *lach*

Aber wenn ich mich ab und an mal so zurückerinnere, dann werde ich auch schon mal melancholisch. Aber nicht weil ich den Zeiten hinterher weine, oder der Meinung bin "früher war alles besser". Nein, nein.  Das was ich vermisse ist nicht einfach in Worte zu fassen, es ist eher ein ganz spezielles emotionales Gefühl aus meinem Leben. Man muss bedenken, dass damals anfangs der 90ger eine ganze Szene am Entstehen war und eine ganze Generation den Aufbruch in ein neues musikalisches Land erlebte. Es war eine wilde Zeit in der jedes Wochenende neue unfassbare Eindrücke auf einen warteten. Die Szene rund um die elektronische Musik war gerade am wachsen und die Kreativität, welche die Leute, DJs und Produzenten an den Tag legten, war immens und gefüllt mit wahnsinnig viel Leidenschaft ohne Gedanken an die große Vermarktung.

Es war alles wie ein Strudel und man ließ sich einfach von diesem erfassen und irgendwo hintreiben in Clubs, auf dunkle Kellerpartys, Industriehallen, auf Raves in irgendwelchen Dörfern und so weiter. Die Gefühle aus diesen ersten Jahren zu beschreiben ist nicht einfach, denn natürlich hängt da viel Schwärmerei mit dran. Aber es war vielleicht mein bisher größtes Abenteuer was ich erleben durfte. Den Aufbruch in eine Welt zu erleben, die mich mit Ihrer Musik nach Hause hat kommen lassen. Denn das alles hat mich unheimlich berührt, geformt und zum positiven verändert. Dass ich damals noch zu Schule ging oder später dann in der Ausbildung war, noch zu Hause gewohnt habe und mein Leben wirklich unbekümmert genießen konnte, war mit Sicherheit ein wichtiger Aspekt, um all dies ausleben zu können. Doch ich glaube für viele ist dies heute ähnlich. Der große Unterschied ist nur, dass heute viele über den Mainstream das Clubleben kennenlernen, und durch diesen und die Industrie das wirklich Wilde der ersten Jahre fast völlig verkommen ist. Es gibt keine Aufbruchstimmung, keine großen neuen Entdeckungen oder Entwicklungen mehr. Alles was heute existiert hat seinen Ursprung zum größten Teil aus diesen Anfängen und ist schon lange aus der Pubertät entwachsen. Das Rock´n Roll Business hat viel zu sehr Einzug gehalten, so das es nur noch weniges gibt, was ein wenig von dem vermittelt, was Anfang der 90ger passiert ist. Techno war mal ein Lebensgefühl, welches heute nicht mehr so verbreitet ist wie damals. Deswegen gibt es eben noch eine ältere Generation, die ab und an etwas ungläubig auf die junge Generation schaut und umgedreht. Diese ältere Generation ist eben diesem Lebensgefühl zum Teil treu geblieben. Ich glaube aber kaum, dass folgende Generationen ähnlich ticken. Das tun sie jetzt ja schon kaum noch. Die Zeiten sind vorbei.

Was nämlich heute den Besuchern vor allem im Mainstream als "wild" verkauft wird, ist meist nichts anderes als strikt durchdachtes Marketing. Hochglanzfeiern würde ich es sogar teilweise nennen. Mit dem was in den ersten Jahren mit "wild" gemeint war, hat dies alles nichts zu tun. Das ist es eigentlich, was mich es manchmal vermissen lässt. Dieses unbekümmerte und abenteuerliche Gefühl der ersten Jahre. Dieses Gefühl, an etwas total außergewöhnlichen teilzuhaben. Doch ich denke, dies ist auch viel eigene Empfindungssache und gegen die Evolution kann man sich nicht stellen. Die Frage ist also, wie weit ist man bereit selbst eine Evolution zu durchleben. Was das Clubleben angeht, gibt es noch genug Orte und Veranstaltungen, die einem auch im Jahre 2008 als alten Partyhasen zusagen. Es ist also auch eine Sache der Einstellung und der eigenen Fähigkeit mit den Veränderungen umzugehen, wenn man sich aus der Szene nicht verabschieden will, weil einem die Musik so viel bedeutet. Veränderungen fordern nun auch mal neue Perspektiven anzunehmen, und wenn die Eine einem nicht zusagt, dann schaut man sich eben eine andere an. So einfach ist das und vergangene Gefühle wie eben meine Anfangszeit werden so niemals wieder existieren. Dennoch kann ich auf genug Partys einen super Spaß haben. Interessant ist nämlich, dass man Club- und Partytechnisch schon wieder abseits vom Mainstream eine Art Subkultur erkennen kann. Im Grund muss man nur die Augen offen halten.

Ohyate: Wie meinst Du das genau mit der Subkultur?

Grille: Na ja, ganz einfach, das abseits des Glitzer und Hochglanzes es Partys, Veranstaltungen oder Events gibt, die auch anders funktionieren.  Da gibt es eben keine großen Namen auf dem Line Up sondern nur Locals, die es ebenso regelmäßig schaffen die Crowd zu rocken. Da hat sich in den letzten Jahren echt einiges aufgebaut, und das ist schön zu sehen. Weil es eben auch funktioniert und auch publikumstechnisch sich da eine ganz eigene Family aufgebaut hat.

Ohyate: Klingt ja recht positiv. Aber zurück zu den Veränderungen im Lauf der Jahre. Wie siehst Du das bei dem Thema Musik an sich?  Diese hat sich ja nun auch in all den Jahren immer wieder stark verändert mit ihren Sound und Trends.

Grille: Musikalisch sehe ich es ähnlich.  Sicher war die Zeit in den Anfängen unheimlich kreativ und innovativ. Gut, manches ist vielleicht auch schon mal über das Ziel hinausgeschossen, aber auf der anderen Seite sollte im Kreativen so fast ziemlich alles erlaubt sein. Der Künstler entscheidet über seine Kreation und dann erst das Publikum. Es wird immer gerne davon erzählt, dass manche Tracks einfach zeitlos sind und so landen sie auch immer wieder auf den Plattentellern der DJs. Aber dennoch spiegeln diese Tracks auch immer Ihre ganz eigene Epoche wider und beweisen wie sehr uns diese Musik berührt hat. Ich finde es deshalb immer wieder verdammt schade, dass sich in der heutigen Zeit auch in unserer Szene sehr stark eine gewisse Schnelllebigkeit und eine zu arge Trendorientierung ausgeprägt haben. Dabei wird immer wieder, so finde ich, vergessen, wie sehr Musik unser Leben und unsere Gefühle bestimmt und es eben nicht nur ein reines Konsumgut ist, so wie es die Musikindustrie immer mehr und mehr mit Ihren Aktionen vermitteln will. Der Run auf die Trends und die besten Scheiben scheint bei den meisten DJs in den letzten Jahren vermehrt zugenommen zu haben. Doch leider trägt dies zu Eintönigkeit bei und gerade Frankfurt hat den Ruf verdammt engstirnig zu sein, da der Großteil sich nur an bestimmten Dingen orientiert. Aber eigentlich ist dies nicht ganz so. Natürlich gab es gerade in den letzten 2 Jahren eine Explosion an Minimal-DJs und Wendehälsen die sich diesem Trend zuwandten. Doch gerade im Mittelklassebereich der DJs gibt es einige, die eben Ihr ganz eigenes Ding machen und zur bunten Vielfalt der Sounds schon seit Jahren beitragen. Ich zähle mich da ebenso dazu und kann deshalb auch nur sagen, dass wenn man wirklich musikalisches Interesse besitzt und auch über den Tellerrand hinaus schaut es viel Fantastisches zu entdecken gibt. Mag einstige Innovation nicht mehr so ausgeprägt sein und mag einem der elektronische Mainstream einfach zu grau erscheinen auf Dauer, dann muss man sich eben anderweitig orientieren. Außerhalb Deutschlands ist die Welt der elektronischen Musik, finde ich jedenfalls, teils um ein vielfaches bunter, fröhlicher und offener. Es ist also eher das Eintönige, was mich heute nervt und ich mir etwas mehr Mut wünschte wie zu den Anfangszeiten. Denn ich persönlich kann nun mal nichts mit Partys anfangen wo von Anfang bis Ende nur derselbe gleiche eintönige Beat läuft. Aus diesem Grunde veranstalten wir unsere Partys auch sehr abwechslungsreich, denn einen Abend mit Vielfalt find ich persönlich viel interessanter und befriedigender. 

Ohyate: Ist also die Frankfurter Clublandschaft zu eintönig?

Jain, nicht ganz. Es gibt schon abwechslungsreiches Programm in Frankfurt, wenn man mal genauer hinschaut. Das U60311 ist ein gutes Beispiel. Die Vielfalt an verschiedenen Partykonzepten und abwechslungsreichen, teils wirklich hochkarätigen Bookings in den letzten Monaten zeigen, dass es auch anders geht. Das Tanzhaus ist, mit all seinen verschiedenartigen Partys und den Konstellationen der Line Ups vor allem bei den großen Festen, wo es teils bis zu 5 Floors gibt, ein ebenso gutes Beispiel. In diesen Clubs trifft House und Techno auf teils unterschiedlichste Weise aufeinander und bewirkt, dass Frankfurt so seinen Ruf verbessert. Denn Frankfurt ist eben nicht nur Cocoonclub und Robert Johnson .. ja ich weiß Offenbach.. aber für die Welt ist es Frankfurt. Frankfurt wird nun mal leider immer wieder nur an diesen 2 Clubs gemessen.

Ohyate: Bedeuten Deine Aussagen, dass Du den CocoonClub und das Robert Johnson nicht für kreativ hältst?

Grille: Nein, so darf man das nicht sehen. Das Robert Johnson hat z.B. ganz entscheidend mit seinen Partys einen ganz speziellen Sound mitkreiert. Ob er mir gefällt oder nicht, ist dabei absolut unwichtig. Es kam jedenfalls so, dass es mit diesem Sound und den ausufernden Partys auch über die Grenzen Deutschlands hinaus legendär wurde. So wie das Robert Johnson fährt natürlich auch der Cocoonclub auf seiner ganz eigenen Schiene. Es wird dort eben ganz bewusst und gezielt ein gewisser Sound verfolgt, und damit auch erfolgreich Trends in Ihrem Bereich vermittelt. Klar hinter dem CocoonClub stecken vor allem der Sound und die Künstler des Labels Cocoon. Cocoon ist nun mal eine ganz eigene Marke, welche es geschafft hat eine eigene kleine Welt im musikalischen Kosmos zu schaffen. So wie man die Freiheit auf dem Label hat ganz eigenen Sound zu kreieren und zu Veröffentlichen, so wird auch der Sound im Club natürlich beeinflusst. Kreativ sind also beide Clubs auf Ihre ganz eigene Weise. Dies bewegt sich zwar jeweils in einem teils speziellen Bereich, aber in diesem verwirklichen sich die Beiden. Das Problem, um das es aber geht, ist wie bereits schon angesprochen, dass Frankfurt nicht nur aus diesen beiden Clubs besteht. Frankfurt hat mehr zu bieten als den RJ- und CC-Sound. Doch leider hört man immer wieder außerhalb Frankfurts, dass der Sound nur an diesen beiden Standards festgemacht wird. Das ist sehr schade und vermittelt einen recht engstirnigen Eindruck der Frankfurter Szene, was so aber unter der Oberfläche eigentlich nicht wirklich stimmt. Aber Fakt ist auch, dass sich viele DJs an dem Erfolg dieser Sounds orientieren und anstatt eigene Stile zu kreieren leider nur kopieren.

Aber zurück zum Thema der Veränderung. Beim Thema Musik ist in den letzten Jahren eine wichtige Sache die digitale Revolution geworden. Mag ich mich dem MP3-Deejaying auch noch verweigern, so werde wohl auch ich in den nächsten Jahren um MP3 nicht drumherum kommen. Das Internet wird sich immer mehr zu einem Kessel voll an Innovation und Vielfalt entwickeln. Man muss also irgendwann entweder mit MP3 arbeiten oder man brennt sich CDs.. und die mag ich auch nicht besonders *lach*. Auch wenn dies nun seltsam klingt, so ist diese digitale Revolution einer Art "Back to the Roots". Denn immer mehr werden durch die neuen PC-Technologien in ihren eigenen 4 Wänden produzieren können. Dies könnte sich dann ähnlich verhalten wie anfangs der 90ger als zig Leute sich dem elektronischen Sound verschrieben haben und einfach aus Lust und Laune losproduzierten. Immer mehr können sich Künstler heute unabhängig von Labels selbst vermarkten und Newcomer können ihre Produktionen im Internet einer großen Zuhörerschaft präsentieren. Dabei werden eben auch viele Leute dabei sein, die es in erster Linie aus Leidenschaft machen und genau dies ist der schönste Punkt an der Sache. Ich glaube dass wir durch eben diese Dinge einen neuen Schwung aus frischem neuem Material erhalten werden, der eben nicht immer strikt auf den Markt zuproduziert wurde. Letztendlich hat ja auch jeder Internetuser am Rechner die Macht auf den Downloadknopf zu drücken. Selbst jetzt schon ist ein Teil der alten Garde an DJs  immer mehr zum "User" geworden. Momentan sind vielleicht noch zu viele alteingesessene Strukturen vorhanden, die sich nur gegenseitig unterstützen und so den kreativen Geist noch zügeln. Aber neue Technologien sind nun mal auch kostspielig und so geht's oft erst mal nur ums Geschäft. Es ist also alles nicht so einfach und es gibt immer 2 Seiten die man betrachten muss. Ich bin mir aber sicher es wird in Zukunft viel Neues entstehen, oder alte Konzepte werden sich ändern oder anpassen. Wir stehen grade erst am Anfang bei all diesen Dingen. Man muss auch nur mal bedenken, dass ein MP3-Player schon zum Standart gehört, so wie es einmal ein Walkman war. Also schauen wir mal was sich in den kommenden Jahren entwickeln und durchsetzen wird.

Ohyate: Da Du gerade das MP3-Deejaying ansprichst:  So wie Dich wird es sicher noch etliche Plattenliebhaber geben, die sich der neuen Technik verweigern. Paul van Dyk sagte neulich in einer YouFM Clubnight zu mir zum Thema MP3-Systeme: "jetzt haben wir jahrelang bewiesen, dass wir mit Platten auflegen können, jetzt müssen wir beweisen, dass wir auch kreative Köpfe sind." Irgendwo hat er natürlich Recht, denn bedingt durch MP3´s haben die DJs die Möglichkeit all ihre Platten zu digitalisieren und ständig auf ein gigantisches Repertoire an Musik zuzugreifen. Jedoch - und das ist meine persönliche Meinung - stirbt dadurch die Qualität des Entertainments der DJs. Ich erinnere mich an ein Set von DJ Sasha im Zouk, Singapore, wo er nur mit einem Laptop aufgelegt hat. Bedingt durch das ständige heraussuchen der Musiktitel in den verschiedenen Ordnern hatte er keine Zeit mehr, sich dem Publikum zu widmen, mit anderen Worten die Gäste gaben 20 Euro dafür aus, dass sie sich n DJ anschauten, der den ganzen Abend nur auf seinen Laptop starrte. Das Feedback im Nachhinein war vernichtend für ihn. So einiges an Publikum ist früher gegangen und die Foren überschlugen sich mit negativen Äußerungen bezüglich Auflegen mit Laptop. Denn was bedeutet das für mich als zahlenden Gast, der einen guten Abend mit viel Entertainment haben will? Der Künstler wird langfristig das Nachsehen haben, da bin ich mir sehr sicher. Denn wenn ich an das breite Publikum jeder Abende denke, dann kann ich doch ganz klar sagen, dass sich die Meisten doch gar nicht für die geballte Kreativität der zusammen gemischten Musik interessieren, hierbei meine ich ganz besonders, wenn bis zu 3-4 Lieder zusammengewürfelt werden. Das erkennt doch dann nur jemand, der sich wirklich intensiv mit der Musik auseinander setzt. Oder liege ich da gerade völlig falsch?

Grille: Wie auch bei einem Plattenkoffer sollte man selektieren. Was nehme ich mit. Was nicht.  Ein Laptop-DJ sollte sich also Gedanken machen über sein Set. Über die Grundstimmung, die er vermitteln will, oder wo er den Abend hinbringen möchte. Es bringt also nichts einfach nur die komplette Plattensammlung auf der Festplatte zu haben. Wo ist da der Reiz? Mit etwas weniger kreativ zu sein ist eine viel größere Herausforderung finde ich. Denn mit einem Plattenkoffer ist man in einer räumlichen Grenze von sagen wir mal um die 100 Platten. Zwischen 20-30 Platten spielt man so etwa in 2 Stunden. Es ist also genug vorhanden, um sein Set zu gestalten. Und so wie ich jedes Mal meinen Koffer aufs neue durchschaue, umschichte oder umpacke, so ähnlich kann das auch ein Laptop-DJ machen, dann hält sich der Aufwand am Abend in Grenzen und es bleibt mehr Zeit um mit dem Publikum zu feiern. Eines der besten Beispiele, dass dies sehr wohl gut funktioniert ist Peter Eilmes aka Plattenpeter. Wer ihn kennt der weiß, dass er neben guter Musik und Präsentation auch gute Unterhaltung bietet und das mit einem Mp3-System. Nicht umsonst wurde er bei unserer Jahresumfrage auf den ersten Platz bei den Local DJs von unseren Usern gewählt. Es kommt also darauf an wie man mit der neuen Technologie umgeht und wie man sich mit Ihr arrangiert.

Beim Beispiel Sasha ist es so, dass er ein unheimlich kreativer Kopf ist und neue Technologien für ihn scheinbar etwas Essentielles sind. Seine Essentialmixe mit Abelton Live sind der Wahnsinn. Da macht er nämlich genau das Beschriebene, dass er aus verschiedenen Stücken oder Sound-Snippes neue Soundcolagen kreiert und was völlig Neues schafft. Das ist für einen Radiomix fantastisch anzuhören. Doch wie Du schon sagtest, im Club wird es die Masse nicht interessieren was da gerade zusammen gemixt wurde. Da kommt es mehr darauf an wie ein DJ mit dem Publikum spielt und es immer mehr fordert. Wie er damit die Stimmung steigert und so einen ausgelassenen Abend für das Publikum schafft. Das funktioniert nun mal besser mit einen DJ, der am Pult mit rumspringt oder auch schon mal aufs Pult steigt. Das ist einer der ganz großen Punkte, die auch Sven Väth groß gemacht haben.

Ein anderes gutes Beispielt sind momentan die Jungs von Esspapier. Die spielen zu zweit live am Laptop und schaffen es dennoch das Publikum ganz für sich zu gewinnen und mit diesem mitzufeiern. Aber das sind eben die positiven Ausnahmen, die ich bisher erlebt habe. Andere Künstler, die es nur aus Prestige nutzen und dabei weder Funktionalität- noch Entertainmentqualitäten aufweisen, die sollten es lieber sein lassen. Klar ist es einfacher nen Laptop mitzuschleppen als ne Plattenkiste. Für Auswärtsbookings ist das super. Für eine Vermischung zwischen Deejay und Live-Elementen ist das auch super. Aber ich persönliche spüre den richtigen Sex beim Auflegen bisher nur mit Vinyl. Aber mal sehen wie sich diese Systeme noch weiterentwickeln, denn letztendlich muss ich vielleicht auch irgendwann mal umsteigen.

Ohyate: Das mit Sven stimmt schon irgendwie, denn was wäre ein Väth, wenn er nicht mehr voller Freude und Energie die Platten in der Luft herumwirbeln kann. Das hat einfach Charme. Mit nem MP3-Stick wirkt das sicher nicht so sonderlich. Was ist eigentlich mit der Frage zur der Qualität eines Stückes auf MP3. Ist die wirklich so gut?

Grille: Ganz ehrlich?? Keine Ahnung. Die Experten sagen das Eine, die Freaks was anderes und ich, ich steh auf der Tanzfläche und merke keinen Unterschied. Ich denke wenn ein Track gut konvertiert wurde sind die Unterschiede für einen normalen Clubbesucher nicht zu erkennen. Insofern ist mir das auch echt alles Wurscht.  Ob da nun Frequenzen, die ich eh nicht richtig wahrnehme vorhanden sind oder nicht ist doch egal. Hauptsache es rummst, klatscht und klingt ordentlich. *lach* Aber wie gesagt, die Experten streiten da seit Jahren…. Solln se doch … ich geh so lang mal feiern. *lach*

Ohyate: Zu den Omenforum Technoclassic Partys, wo Du ja einer der Residents bist, erscheint eine interessante Anzahl Gäste auch aus früheren Zeiten. Was glaubst Du, erleben diese an solch einem Abend? Und wie gehen diese Gäste mit solch einem Abend um? Gibt es da Erfahrungsberichte?

Grille: Ja, da gibt es schon den ein oder anderen Erfahrungsbericht. Diese sind teils recht unterschiedlich, aber es ist ja nicht nur älteres Publikum anwesend. Das schöne ist, dass auch viel junges Publikum an der Partyreihe interessiert ist. Was die Erfahrungsberichte angeht weiß ich, dass es schon manchen Tränen in die Augen getrieben hat bei dem einen oder anderen Track, weil damit vielleicht besondere Momente verbunden waren. Oder einfach auch nur, weil es ein toller Track ist. Manch einer geht nur wegen dieser Party noch mal aus, um sich einen kleinen Teil einer außergewöhnlichen Zeit noch mal zu gönnen. Für viele ist es aber auch einfach ein Abend der außergewöhnlichen Sorte, weil dort zusammen mit Generationen tolle Momente und Gefühle entstehen. Viele, die das erste Mal da waren, haben später mit leuchtenden Augen anderen davon berichtet und sich den neuen Termin dick im Kalender eingetragen. Junges Publikum ist teils sehr fasziniert von der Harmonie, der Gruppendynamik und der euphorischen Stimmung an diesem Abend. Ich selber habe mich schon inspirieren lassen und hab dann bei uns im Diary "Dein Schweiss…" verfasst. Für die meisten Gäste ist dieser Abend einfach ein schönes Erlebnis auf das man sich schon im Vorfeld freut. Das liegt wohl daran, dass es eine von wenigen Partys ist, die wirklich auch authentisch ist. Einmal weil sie es schafft noch einmal die Grundbasis der ersten Jahre zu vermitteln, um diese mit zu erleben und dieses sowohl musikalisch, von der Art des Publikums als auch räumlich. Das Tanzhaus West bietet nun mal mit seinem industriellen Flair genau die richtige Location. Ich glaube für die meisten ist dieser Abend einfach eine wundschöne emotionelle Erfahrung jedes Mal. Ich selber erwische mich immer wieder dabei, wie ich einfach nur grinsend durch die Floors laufe und alles auf mich wirken lasse. So schnell wie an diesen Partys geht selten eine Nacht um. 

Ohyate: Neben der Anzahl "alter" Partygäste, was ist für Dich das wirklich besondere an der Omenforum Technoclassics?

Grille: Auf alle Fälle das schon Beschriebene mit der Stimmung, den Leuten, der Harmonie und Euphorie. Auch der Aspekt, dass trotzt des Themas auf dieser Veranstaltung viele verschiedene Generationen auf einander treffen, das finde ich etwas wirklich besonderes. Es ist schön zu sehen wie auch die heutigen relativ "frischen" Clubgänger Interesse zeigen. Ganz besonders ist natürlich auch die Konstellation  der Line Ups. Neben besonderen Headlinern stehen vor allem viele Lokal DJs an den Decks. Die Soundvielfalt an diesen Abenden ist also riesig und ist so auf noch keiner anderen Revivalparty anzutreffen gewesen. Es wird sich also soundtechnisch nicht festgelegt, sonder viele der DJs machen sich wirklich viele Gedanken, um Ihren Set eine besondere Note zu geben. Wenn MRM und ich uns vorbereiten für diese Party, überlegenen wir immer wieder in welche Richtung wir diesmal gehen wollen. So haben wir vom reinen Houseset bis zum Dorian Gray Trance alles schon gespielt und so auf unsere ganz eigene Art dafür gesorgt, dass unser Set seinen Teil zu diesem Abend beiträgt. Also die Soundauswahl ist wirklich einzigartig und mit den wechselnden Headlinern kommt  auch immer wieder Neues hinzu, was so auf den früheren Partys noch nicht da war. Etwas anders ganz Besonders ist aber auch, all die Leidenschaft mit der alle Beteiligten an dieser Eventreihe arbeiten. Es steckt nämlich keine Agentur geschweige denn ein großer Marketingplan hinter dieser Veranstaltung. Alles wird vorangetrieben durch viel Einsatz, der aus Leidenschaft zu dieser Sache gewonnen wird..

Ohyate: Es gibt ja auch Kritiker dieser Partyreihe, die folgendes Statement abgeben: Die Veranstalter und Partycrowd ist auf einem musikalischen Stand festgefahren und nicht bereit sich weiterzuentwickeln. Siehst Du diese Kritik gerechtfertigt?

Grille: *lach* Nein, diese Kritik ist haltlos und wird gerne mal aus bestimmten Richtungen geschossen. Leider ist der ein oder andere noch nicht einmal so gut darüber informiert, um was es eigentlich genau geht. Da wird diese Veranstaltung schon mal mit dem Omen Memorial Day verwechselt, den es allerdings schon seit 2003 nicht mehr gibt. *lach* Aber gut, diese Kritik kann gerne abgegeben werden, aber wir halten denke ich recht überzeugend dagegen. Denn es geht hier um 2 Partys im Jahr und die DJs spielen sonst auf vielen anderen Partys ihren sehr eigenen und aktuellen Sound. Dass dieses Konzept einen dermaßen großen Erfolg hat und man es schafft, so viele verschiedene Leute verschiedener Generationen nun schon zum 7. Mal zusammen zu bringen, dass beweißt eigentlich alleine schon wie zeitnah und aktuell man damit ist. Es geht hier nicht um das krampfhafte Festhalten an alten Zeiten, oder dem ewigen Genörgel früher wäre alles besser gewesen. Nein nein, das was mit dieser Party betrieben wird ist ein gesunder Umgang mit der eigenen Vergangenheit und der Leidenschaft zu einer Idee, die sich in dieser Musik manifestiert hat. Wir verleugnen nicht, dass wir gerne schwitzend in einem Nebelloch stehen und uns die Seele aus dem Leib tanzen. Es gibt doch seit Jahren 70ger, 80ger und nun auch schon 90ger Partys, dann lasst uns doch auch unsere Technoclassics haben. Ich denke es ist viel ehrlicher die Fahne nach oben zu halten und offen zu zeigen, dass wir uns unserer Basis noch bewusst sind und dennoch nach vorne blicken. Diese musikalische Vergangenheit auf den Partys war eben auch für viele die eigene Inspiration, selbst in der Szene tätig zu werden.  Es geht hier nicht um Stillstand. Es geht um Bekenntnis. Etwas was manch einer leider vergessen hat. Aber dazu ist in der Oberliga nun mal mittlerweile viel zu viel Bussines im Spiel. Idealismus muss heute trendig sein, sonst rentiert sich das nicht.  Umso schöner ist es, wenn für dieses Projekt Leute wie z.B. DJ Dag, Partrick Lindsey, Tom Wax, Andy Düx, Roland Casper, Rock, Good Groove, WolleXDP und nun auch Dr. Motte, Pierre und D.Diggler ihre alten Platten wieder mal rausholen und uns nicht nur musikalisch, sondern auch den Charitycharakter der Party unterstützen. Denn der Erlös der Veranstaltung wurde jedes Mal einem guten Zweck gespendet. Ich finde auch dieses ist eine Sache, die zeigt wie nah man am Zeitgeschehen ist.

Ohyate: Was meinst Du, wie lange dieses noch weitergeht? Ich persönlich hoffe natürlich, dass diese Partyreihe gar nicht mehr endet. Aber wie wird sich diese Deiner Meinung nach weiterentwickeln?

Grille: Persönlich hoffe ich auch, dass diese Reihe noch ein paar Jahre am Leben bleibt. Ich denke auch, dass 2-mal im Jahr genau der richtige Zyklus dafür ist. Allerdings weiß ich auch wie schwer die Macher im Hintergrund für diese Sache am ackern sind.  Es ist nicht einfach passende Headliner zu finden und dann auch noch welche, die sich im Zuge des Charitycharakters der Party ein wenig mit Ihren Gagenvorstellungen anpassen. Nachdem Dennis und Julia, die Macher der Veranstaltung, letztes Jahr nach Berlin umgezogen sind, gab es schon die ersten Gerüchte, dass es keine weitere Classics mehr geben würde. Doch wie man sieht ist es auch möglich von Berlin aus die Fäden zu ziehen. Ich würde es begrüßen, wenn die Classics so lange sie diesen immensen Erfolg hat auch weiterhin stattfindet. Doch letztendlich ist dies eine Entscheidung der Veranstalter, was mit der Reihe passieren wird in Zukunft. Ich denke, dass die 8. zur 10-jährigen Omenschliessung mit Sicherheit noch kommt und dann wird man sehen.  Vielleicht ergeben sich ja auch neue Konstellationen und Ideen und es entwickelt sich zu etwas anderem weiter. Man wird sehen…

Ohyate: Zu der Feier selbst, was erwartest Du von einem DJ wie Dr. Motte an diesem Abend? In welche Richtung wird er auflegen?

Grille: Öhmmm … ick wees et nüsch. Ganz ehrlich ich hab keinen Schimmer. Das letzte aktuelle Set von ihm war im U60311 was ich gehört hatte. Da hat er ne gute Mischung gespielt und gut die Leute gerockt. Es wäre anzunehmen, dass er es ähnlich auch mit den Classics hält. Vielleicht gibt er uns ja ne gute Ladung aus Berliner Sound gespickt mit dem typischen Low Spirit Charakter der damaligen Zeit. Ich bin gespannt. Interessant wird es mit Sicherheit, denn als Entertainer hat er bisher immer gut die Leute unterhalten… und das auch ohne Muschel. *lach*

Ohyate: Wie sollte sich denn das Publikum auf solch einen Abend vorbereiten? Speziell die jüngere Generation, die diese Musik nicht kennt und zur Zeit eher nur minimalistischem Sound hört?

Grille: Ok, also hier mal die Survival Anleitung für den Abend *lach*. Zieht an worauf Ihr Bock habt. Aber empfehlen würde ich ein schön locker luftiges Outfit und gutes Schuhwerk. Denn es wird verdammt heiß. Damit meine ich nicht nur die Stimmung, sondern auch die Luft. Wenn die Tropfen von der Decken fallen, dann haben wir wirkliches Omenfeeling. Ich sagte ja es wird authentisch *lach*. Gut aber ausgewogen essen sollte man vorher auch, damit man ausreichend Energien hat, denn die Nacht wird lang. Zur eigenen Vorstellung des Sounds sollte man einfach nur offen an die Sache rangehen. Es wird ja von House bis Techno alles geboten. Das dürfte auch geschwindigkeitsmäßig variieren und so sollte man wirklich einfach offen und mit Neugier an die Sache rangehen. Wenn man sich erst einmal von der Musik und Stimmung hat packen lassen vergisst man eh ganz schnell wo man ist.

Ohyate: Welche Platte muss Deiner Meinung nach auf jeden Fall an diesem Abend laufen?

Grille: Auch wenn sie meist tot gespielt wird. Die Platte die mich bekehrt hat damals in der Music Hall muss laufen.… Age of Love

Ohyate: Wie verarbeitest Du eigentlich Deine Emotionen an dem Abend selbest und wie am darauf folgenden Tag? Bist Du nicht unheimlich down an eine alte phantastische Zeit erinnert zu werden, die nicht wiederkehren kann?

Grille: Nö… also ich fühl mich absolut nicht down. Im Gegenteil. Ich bin zwar körperlich am Arsch, weil ich in dieser Nacht einfach alles gebe und tierisch meinen Spaß habe, aber ich bin danach immer glücklich und zufrieden. Es ist natürlich mit viel Melancholie verbunden die alten Dinger wieder zu hören, dennoch verspüre ich unheimlich viele positive Gefühle dabei und fühle mich einfach nur wohl, weil ich eben mit dieser Musik gewachsen bin. Ich glaube jeder wird irgendwann einmal anfangen von irgendwelchen vergangenen Zeiten zu schwärmen. Das ist kein reines Musikding. Für die Zocker ist es z.B. ein Amiga oder C64. Wir alle neigen dazu bestimmte schöne Lebensabschnitte zu Glorifizieren. Das steckt glaub ich einfach in uns und ist nur menschlich. Es mag sicher Momente geben an die ich mit Wehmut zurückdenke, auch an so einem Abend, aber davon lasse ich mich nicht runterziehen. Denn egal was da noch kommen mag, meine Erfahrungen und Erinnerungen an all die schon stattgefundene Zeit kann mir niemand nehmen. Sie gehören mir und obwohl ich gerne zurückblicke, blicke ich aber auch gerne immer weiter nach vorn. Denn all das Erlebte und Gelernte bringe ich heute auf die eine oder andere Weise in meine eigenen Projekte und mein Leben ein und das bereichert es wiederum. Man muss einfach bestimmte Dinge akzeptieren wie sie sind. Eines der Dinge ist nun mal, dass Vergangenes nicht zurückgeholt werden kann. Also genießt man in bestimmten Momenten einfach die Erinnerung.

Ohyate: Kommen wir noch mal zu Dir als Deejay. Du hast mal gesagt, Du erzählst eine Geschichte beim Auflegen, wovon berichtet denn Deine Musik? Und wie kann ein "Nicht-Musik oder Classics"- Kenner Deine Geschichten lesen bzw. verstehen?

Grille: Also die Geschichten, die ich erzähle stellen sich ganz Allgemeinen ,egal ob Classics oder aktuelle Musik,  aus verschiedenen Dingen zusammen. Vergangenes, aktuelle Gedanken, Gefühle, Emotionen oder einfach die Lust auf bestimmte Musik. Oft lasse ich mein Publikum mit dem einen oder anderen Track an meinem Inneren teilhaben oder bringe bestimmte Leidenschaften zum Ausdruck.  Vom Aufbau eines Sets ist es ähnlich wie mit einem Buch. Es gibt einen Prolog der sanft, langsam aber beständig den Hörer einführt. Der Hauptteil treibt alles weiter voran, bringt Wendungen und Überraschungen. Es ist wie ein Wellengang der die Story auf und ab leben lässt. Dabei werden oft auch Emotionen und Gefühle um- und freigesetzt, die ich mit bestimmten Tracks verbinde. Ich freue mich teils im Inneren schon, wenn ich weiß ich kann gleich mit dem nächsten Track das Publikum wieder ein Stück in den Wahnsinn treiben. Wenn dann der Epilog einsetzt fährt die Geschichte sanft dem Ende entgegen und lässt es so zu, dass sich die Story beim Publikum setzten kann. Und  so hoffe ich, dass eben diese Geschichte wie bei einem Buch in guter Erinnerung bei den Leuten bleibt. Im Grunde kann also jeder diese Geschichten verstehen. Er muss sich nur der Musik und Ihrer Wirkung hingeben. Alles im Ganzen ergibt dann ein Gesamtbild. So spiel ich am liebsten. Ich mag es so mit den Leuten zu kommunizieren.

Ohyate: Viele Partyleute im etwas erfahrenen Alter, also älter als der Durchschnitt sagen wir mal so Ende 20, wissen zur Zeit gar nicht mehr in welche Clubs oder welche Veranstaltungen sie gehen sollen. Oft höre ich, dass sich die meisten sehr auf die Beachclub Zeit freuen. Ist das Nachtleben wirklich so kompliziert geworden?

Grille: Also ich glaube das muss man etwas differenzierter sehen. Richtig ist, dass in den letzten Jahren Beachclubs unheimlich boomen. Jede Stadt schafft sich mindestens eine wenn nicht mehrere dieser Oasen. Ich glaube bei dieser Art von Location geht es vor allem um den Wohlfühlfaktor. Das Ambiente, leckere Drinks und gutes Essen sind schon mal Aspekte, die vor allem ein breites Publikum anziehen. Wenn der Sommer sich dann auch mal hier in Deutschland blicken lässt, ist eine Party unter freiem Himmel mit Sand unter den Füssen fasst schon ein kleiner Urlaub. Ich denke all diese Faktoren machen die Beachclubs  attraktiv in jeder Alterklasse.

Das allerdings die älteren Semester der Partyszene mit dem Nachtleben ab und an ein Identifikationsproblem haben ist nicht von der Hand zu weisen. Wenn jemand wie Ich z.B. noch aktiv in der Szene ist, dann hat dies vor allem einen Grund. Die Musik. Musik ist nun mal nicht nur zum Hören da, sondern eben vor allem auch zum Tanzen. Wer also über die Jahre hinweg das Verlangen hat auf diese Musik tanzen zu gehen, der soll es auch tun. Doch er muss sich über etwas im Klaren sein. Es ist nun mal nicht der Standart diese Leidenschaft über so viele Jahre permanent auszuleben. Für viele ist die Szene ein Stück Lebensweg in jungen Jahren gewesen. Eine Zeit in der man die Sau raus gelassen hat und einfach seinen Spaß hatte. Ich denke dies ist für die Meisten heute wie damals so. Es gibt nur noch wenige aus meinen Anfängen, die noch aktiv sind. Viele entscheiden sich irgendwann für Familie oder werden einfach generell ruhiger. Diejenigen die allerdings Ihrer Leidenschaft in der Szene nachgehen, müssen sich mit den Veränderungen, welche die Zeit mitgebracht hat, arrangieren. Für diese war meist die Musik immer im Vordergrund und immer die tragende Kraft, doch von diesen Grundzügen ist in manchen Clubs heutzutage immer weniger zu spüren.

Es ist vor allem wie sich das Publikum in seiner Einstellung, Darstellung und Ansprüchen verändert hat, was den Älteren zu schaffen macht. All diesem kommen diverse Veranstalter und Clubs nach, denn die Nachfrage ist da. Die Leistungsgesellschaft in der wir leben hat nun mal auch das Nachtleben erreicht. Immer große Namen, tollere Locations, stylischeres Publikum. Es geht oft um das sehen und gesehen werden beim jungen Publikum. Die besten Styles und Klamoten und einfach im Trend zu sein ist oft wichtig. Dass dabei oft nur geklont wird, dies scheint gar nicht weiter aufzufallen. Zum Teil hat man das Gefühl man lebt in einer D&G Gesellschaft, wenn man in bestimmte Clubs geht. Nach dem sich elektronische und Housemusik immer mehr im Mainstream durchgesetzt hat, ist diese zu einem großen Teil ein reines Konsumgut geworden. Die emotionalen Verbindungen zu dem Lebensgefühl, was viele der Älteren in sich tragen, das fehlt heute einfach oft. Dort wo es laut den Trendmagazinen "brennt", dort muss man sein. Das dabei aber vieles nur eine künstliche und verdammt oberflächige Welt darstellt, dies scheint die junge Generation nicht zu stören. Es ist ja auch kein Wunder. Die Gesellschaft hat mit all ihren überzogenen Medienvorgaben ein Bild geschaffen, was beherrscht wird von Schönheit, Stil und Sexappeal. Die HipHop Musik-Videos haben es vorgemacht und nun hat Stück für Stück die neue Generation in der Szene der Elektronischen- und Housemusik dies für sich annektiert und setzt es mit anderen Stilmitteln um. Nach der wilden Freiheit der 90ger, kommt nun eine aufgesetzte von Trends beherrschte Generation, die so in sich selber verliebt ist und dem was sie darstellt, dass oft gänzlich Emotionen dabei fehlen. Dies lässt die etwas ältere Generation außen vor stehen, da diese eben mit verdammt vielen Emotionen ausgestattet ist. Aber wir reden auch hier vom Mainstream, also von der Oberfläche. Wem dies nicht gefällt, der muss einfach tiefer abtauchen und sich mehr mit dem beschäftigen, was unter der Oberfläche liegt.

Das Nachtleben ist also eigentlich nicht kompliziert. Aber man muss sich damit beschäftigen, um seinen Platz zu finden an dem man sich wohl fühlt. Das für viele der Club-Mainstream nicht in Frage kommt ist also etwas ganz legitimes und gab es auch schon in den 90gern, als Läden wie der Paramount Park verschrien war, weil er eher einen Großraumdissencharakter hatte. Man muss nun mal zwischen normalen Konsumenten und Liebhabern unterscheiden. Jeder findet seinen Platz, da bin ich mir sicher.

Ohyate: Ich weiß, dass Du Dir ein paar Mitarbeiter für die Toxic Family wünschst und zwar von denen, die gerade auch erst mit der Musik in Berührung gekommen sind. Was erwartest Du von "neuen" Mitarbeitern?

Grille: Eigentlich erwarte ich dasselbe wie von mir. Leidenschaft zur Musik und Szene und zwar so, dass man auch bereit ist dafür etwas zu machen.  Leider war dies bisher nicht gegeben, manch einer startete einen Versuch und dann kam nix mehr. Das ist verdammt schade. Ich mache dies nun schon seit 1999, und alles ohne große Pause. Sicher bin ich da eine Ausnahme, weil ich mir auch selber viele Ziele stecke und unheimlich perfektionistisch bin, aber es muss doch noch mehr geben die Ambitionen haben etwas zu bewegen. Aber ich bin ja schon mal froh, dass ich mit Ralph aka Dorian und Sebastian 2 neue talentierte Fotografen gefunden habe. Habe ich bis ca. 2004 noch viele Bilder selbst gemacht, bin ich da nun ziemlich außen vor. Es hilft mir ja auch in solchen Dingen. Aber gegen ein News- & Datescout hätte ich nix einzuwenden.

Ohyate: Du hast in all den Jahren ja auch starke Anti-Drogen Kampagnen gefahren bzw. hast sehr auf Aufklärung gesetzt. Hat diese Aufklärung bei dem ein oder anderen etwas bewirkt?

Grille: Also direkt Anti-Drogen Kampagne war es nicht, aber es war sicher viel Aufklärung dabei mit einer Art durch die Blume was sagen. Ich habe durch viele Erfahrungen in meinem Umkreis vieles erlebt und fing an mich als Nichtkonsument mit dem Thema mehr und mehr auseinander zusetzten. Meine Erkenntnisse habe ich immer versucht, den Leuten näher zubringen. Aber nicht mit dem erhobenen Zeigefinger und Verbotsforderungen. In der Szene sind Drogen genauso relevant seit Anbeginn, wie auch in jeder anderen Szene. Ohne diesen Einfluss wäre alles wohl auch anders gekommen. Oder mal anders gesagt.. wären The Doors ohne Einflüsse von Drogen heute der Kult der sie sind?? Was mir immer am Herzen lag war ein gesunder Umgang mit diesen Dingen bei den Leuten. Ich wollte, dass die Leute wissen was sie machen damit, wenn sie es schon, auch so tun, dass es mit Sinn und Verstand passiert. In den harten Schranzzeiten als XTC wie Smarties gefressen wurde, da fing es bei mir an, dass ich mich mehr und mehr damit auseinander gesetzt habe.

Ich hab  im Lauf der Zeit mit vielen über meine Erkenntnisse gesprochen und war manchmal überrascht wie wenig Konsumenten über Wirkungsweise und Funktionsweise bestimmter Substanzen wussten. Wenn ich aber merkte, das ich das Interesse geweckt hatte, sich mehr damit zu beschäftigen, dann habe ich schon etwas bewirkt. Es ging mir einfach darum, dass die Leute wissen was dahintersteckt. Es ist wie mit einem PC. Wer sich damit beschäftigt wie er funktioniert, was wie miteinander zusammenhängt, der wird dieses Wissen in der Anwendung einsetzten und so besser und effektiver einen PC für sich nutzen können. Ähnlich kann dieses Prinzip auch beim Konsum von Drogen angewendet werden.

Ohyate: Du hast nun wirklich viel aus Vergangem und dem Jetzigen erzählt. Wie siehst Du nun nach all den Jahren für Dich persönlich alles. Wie geht's weiter?

Grille: Ich sehe im Grunde alles mit einem interessierten Blick. Die elektronische Musik beherrscht nun seit 1993 mein Leben. Es ist nicht abzusehen, dass ich davon Abstand nehme. Ob ich nun selber auflege, produziere oder einfach nur Onlineradio oder Mitschnitte anhöre, sie ist allgegenwärtig in verschiedenster Form und ich bin Ihrer noch nicht müde geworden. Solange mich dies alles in irgendeiner Form positiv berührt, ist dies für mich OK. Solange ich den Drang verspüre weiter aktiv zu sein und das Feedback stimmt werde ich weiter machen. Sicher ist nicht alles positiv zu sehen in der Szene, das war es nie, aber man muss sich ja nicht unnötig mit den negativen Dingen beschäftigen, es gibt genug Schönes was sich lohnt näher betrachtet zu werden. Vor allem wenn man die richtigen Leute kennt. egal ob DJs, Veranstalter oder Publikum. Mit denen es funktioniert entsteht wieder jede Menge Positives. An dieser Stelle einfach auch mal ein großes Danke an all die, die uns so in den ganzen Jahren gefördert und unterstützt haben, inklusive unserer treuen Userschaft.

Ohyate: Dank Dir für das wirklich interessante Gespräch. Ich möchte zum Schluss das Interview mit einem Zitat von Wilhelm von Humboldt abschliessen welcher sagte: "Only those who know the past have a future" In diesem Sinne.

Wir würden uns auch freuen, wenn Ihr ebenfalls Anmerkungen zu dem Thema habt, diese mit uns im Forum diskutieren würdet. Folgt einfach dem Link unten.

 

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Auf Grund eines zu hohen Spamaufkommens in den Kommentaren, wird jeder Kommentar vom Admin geprüft und freigegeben. Wir denken dies ist auch in Euerem Interesse, da Ihr sicher auch keinen Bock auf Werbung für gefälschte Gucci-Taschen, Potenzmitteln und anderen Dünnschiss habt.

Eure ToFa


   L-Mo
02.05.2008 - 07:07:06  

Schönes Interview, hat mir gefallen, weil's doch selten ist, dass auch mal etwas Character 'rüberkommt anstatt nur Werbung in eigener Sache.

Zum Thema ist wohl alles Wesentliche gesagt worden denke ich; und zähle mich dabei leider Fraktion derer von "Schade dass man die müden Knochen nur noch so selten aus dem Haus bewegen kann." ;) = Zwinker

Gruß, und macht weiter so!
    

   Jennie
02.05.2008 - 11:17:19  

sehr geil!! spricht mir in vielen dingen aus der seele! weiter so! :) = Normaler Smile
    

   andreas
02.05.2008 - 13:23:54  

sehr gut & wahr.
Homepage    

   Giuseppe Castani
19.05.2008 - 12:08:46  

hm etwas langatmig zu lesen, aber intressant.
User Profil Homepage    

   Wroom
01.06.2008 - 21:26:53  

Hallo, jaja... Eigentlich immer dasselbe, was man zu diesem Thema hört. Der Artikel fügt da leider nichts hinzu.

Aber Rechtschreibkontrolle hat doch jede Textverarbeitung heute. Klammoten gibts ebensowenig wie 70ziger, 80ziger und 90ziger Jahr. Hängt man an "siebzig" noch ein "ziger" dranhängt, wird "siebzigziger" draus.
Und "verleumden" ist etwas anderes als "verleugnen".
Nichts für ungut...
    

   Grille
01.06.2008 - 21:44:44  

Tja, nobody is perfect :D = Breites Grinsen danke für die Hinweise. Habs korrigiert...
User Profil Homepage    

   Tom
14.06.2008 - 12:38:51  

Ich fands echt interessants zu lesen. Kenne mit meinen grad mal 20 Jahren nicht wie, dass in diesen "alten" Tagen so war. Werd dann aber mal im Oktober zur Classics kommen. Freu mich schon. :D = Breites Grinsen
    

   Sonic-Warrior
25.06.2008 - 17:10:53  

Boah Grille hammer, ja ja die Welt vor 15 Jahren und heute ist doch ein ganz krasser Unterschied ;-) = Zwinker
Viele Dinge sprechen mir auch direkt aus der Seele (DJs und Veranstalter), da gibt's noch schlimmere Helden wie der dubiose Sonic-Warrior *lach* ;-) = Zwinker

Genau ach du bist einfach der Beste :-*

Liebe Grüße
Sascha

P.S.: und bleib so wie du bist.
Homepage    

   Yvonne
11.07.2008 - 16:37:41  

Lügner...siehst sehr wohl aus wie 35 LÖÖÖÖÖÖL
    


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