„Die Zeit der verschwitzten Nebellöcher, die meiner Generation zwischenzeitlich Techno, Trance und Elektronik verleidet hat, ist Gott sei dank vorbei.“
Sven Väth
(Im Interview in der Financial Times 2007)
Als ich die Tür aber nun zum großen Club öffne, da wummern mir die Bässe entgegen und mit einem Schritt weiter stehe ich vor dieser tobenden Masse, die sich der Musik völlig willenlos hingibt. Die Tür schließt sich hinter mir und mit einem Male spüre ich diese Wand, die sich aus Luftfeuchtigkeit und immenser Hitze bestehend vor mir aufbaut. Ich schau auf die Uhr und stelle mit Verblüffung fest, dass es gerade mal kurz nach Mitternacht ist. Die Hitze legt sich auf meiner Haut nieder und ohne mich zu bewegen spüre ich wie mir der Schweiß anfängt aus den Poren zu fließen. Es ist wie in einer Sauna und die Luft ist zum Schneiden dick, aber es stört mich überhaupt nicht. Die Stimmung der Leute ist so ausgeprägt, dass man sie greifen kann. Man kommt sich wie im Jungle vor, alleine schon wegen der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit und die sich vor mir bewegende Masse scheint zum Sound des DJs, fast ähnlich wie bei Stammestänzen gemeinschaftlich alles zu geben.
Es beschleicht mich im Inneren immer mehr ein warmes Gefühl, welches mir Harmonie und Glückseelichkeit vermittelt. Mein Grinsen ist wohl kaum zu übersehen und die Stimmung voller wilder Schreie und der Jubel zur Musik lässt gar nichts Anderes zu, als sich davon treiben zu lassen. Ich sehe überall diese Menschen, die zur Musik tanzen, mit geschlossenen Augen in sie tauchen und vor allem der Schweiss in Perlen an ihren Körpern herabkullert. Einige der männlichen Gattung haben sich bereits Ihrer Shirts und Oberteile entledigt und tanzen mit nacktem Oberköper. Ich fühle mich in eine Zeit zurück versetzt, in der diese Art aus sich herauszugehen völlig normal war in bestimmten Clubs. So wie damals, war es auch an diesem Abend völlig normal nass zu sein und wenn ich nass meine, dann meine ich richtig nass. Es war so was von egal, denn es ging gar nicht anders. Man nahm es einfach hin und schiss auf irgendwelche Penibelaktionen, von wegen „oh je, mein schönes Outfit is verschwitzt, so kann ich doch nicht rumlaufen“. Natürlich haben auch an diesem Abend sich die Mädels nett her gemacht und waren schick anzusehen. Natürlich waren andere wiederum eher schlicht in ihrem Outfit. Aber wen interessierte das schon. Das Einzige was an diesem Abend alle miteinander verbunden hatte, dass konnte man unabhängig von der Kleidung spüren. Es war egal, ob es von der Decke, oder der eigenen Stirn tropfte. Hier ging es, um ein gemeinschaftliches Erlebnis. Die kollektive Abfahrt, das gemeinsamen Feiern, als ob es kein Morgen gebe. Eine Nacht die alle gemeinsam zu etwas Besonderen machten.
Ich fühlte mich an meine Jahre im Omen erinnernd. Dort war es ebenso in den meisten Nächten gewesen. Voll, laut und heiß. Unzählige Male, bin ich mit durchgeschwitzten Shirt aus dem Club raus, so wie viele Andere auch. Es gehörte dazu, nach so einer Nacht total fertig und klitschnass zu sein . So war das eben und nun merkte ich, was ich schon lange nicht mehr erlebt hatte. Denn man kann wirklich behaupten das diese Nacht alle zusammenge“Schweiss“t hat. Es war allen so egal, ob Nass oder trocken. Ob Dj, Publikum oder das Personal an der Bar, irgendwie waren alle eins. Es ging auch gar nicht anders, denn ob Musik, Stimmung oder die Hitze dieser Nacht. Alles war überall und jeder war unwillkürlich damit verbunden.
Plötzlich wurde es nach dem zuletzt gespielten Track ruhig im Floor. Auf den im Club aufgestellten Fernsehern flimmerte mit einem Male ein Bericht aus einer alten Nachrichtensendung. Es wurde über die Schließung des Omens im Oktober 1998 berichten und was drinnen und draußen auf der Strasse abging. Es war irgendwie schon Reaktionär, wie damals Hunderte von Menschen sich auf der Junghofstrasse zusammenfanden und einem Club den Abschied zelebrierten, wie es wohl einmalig in der Geschichte bleiben sollte. Es war kein Wunder, denn das Omen war einer der Clubs, wenn nicht sogar der Club überhaupt, der Anfang bis Ende der 90ziger die Technokultur wie kein Anderer geprägt hat. Dieser Club war eines der verschwitzten Nebellöcher, die auch meiner Generation zu Techno, Trance und Elektronik verleidet hat. In dem gezeigten Bericht kam auch der Guru und Wegweiser dieser Generation, Sven Väth zu Wort. In diesem kurzem Interview, damals noch mit rasierten Kopf, Zopf und Ziegenbärtchen erzählte er von seiner Vision und was das Omen ausgemacht hat. Es ging primär um die Musik. Weder Aussehen, Kleidung noch Nationalität spielten eine Rolle. Es ging um Musik und das dazugehörige Gefühl. Weg von den Clubs, bei denen man an der Tür schon gesagt bekam, dass man nicht das entsprechende Outfit tragen würde, um eingelassen zu werden. Ja, es war egal was Du anhattest. Du warst einer unter vielen Verschiedenen, aber Du hattest dennoch immer etwas mit allen gemeinsam. Die Liebe zur Musik und der gemeinsamen Nacht, in der Du das Nass, welches von der Decke tropfte mit allen anderen geteilt hast. Geteilt, wie auch in der Nacht, wo ich mich nun befand… mitten im Jahr 2007 im Frankfurter Tanzhaus West zur 5. Omenforum Technoclassics. In einem der noch letzten verbliebenen verschwitzten Nebellöcher, welches immer noch verschiedenste Generationen zu Techno, Trance und Elektronik verleidet. Irgendwie dachte ich an diesem Abend: Gott sei dank, dass es so was noch gibt.
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9.061 Klicks Autor: Grille
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Auf Grund eines zu hohen Spamaufkommens in den Kommentaren, wird jeder Kommentar vom Admin geprüft und freigegeben. Wir denken dies ist auch in Euerem Interesse, da Ihr sicher auch keinen Bock auf Werbung für gefälschte Gucci-Taschen, Potenzmitteln und anderen Dünnschiss habt.
Eure ToFa
30.05.2007 - 15:43:07 |
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Audiovirus |
30.05.2007 - 17:49:58 |
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rob |
22.08.2008 - 14:57:06 |
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